Hirtenbrief zum Christkönigssonntag © Alois Huber

Liebe Schwestern und Brüder!

Am Christkönigssonntag singen wir „Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat!“ (auf Deutsch: Christus Sieger, Christus König, Christus Herr in Ewigkeit!)

Vor Pilatus hat Jesus gesagt: „Meine Herrschaft ist nicht von dieser Welt!“ Er sieht sich als König der Herzen, König der Liebe! Daraus können wir folgern, dass dort das Reich Gottes anbricht, wo auch die Liebe gelebt wird.

Regiert seine Liebe auch in uns? In mir? In Euch?

Ich stelle heute diese Frage ganz bewusst. Wir erleben eine Zeit, in der Gräben aufgerissen werden, Mauern gebaut werden, wie wir es noch nie erlebt haben. Gräben gehen durch Familien, Beziehungen, Freundschaften, Büros, Schulen, Kindergärten, Pfarren ... Menschen die früher gern an einem Tisch gesessen sind, meiden einander nun und zeigen aufeinander mit dem Finger. 

Auch politisch wird alles getan, um Schuld zuzuweisen. Viele – so hat man den Eindruck – versuchen aus dieser Situation heraus Kapital zu schlagen. Medien reiben sich die Hände „bad news are good news“. Wenn die Quote stimmt, dann passt es meistens. Ihre Artikel sind unsere Informationen geworden, die auch unsere Gespräche prägen.

Und die Angst regiert! Haben frühere Notzeiten es oft mit sich gebracht, dass man zusammenrückte, so erleben wir in dieser Pandemie oft das Gegenteil. 

Wo ist die Liebe geblieben, wo unser gemeinsames Streben Gemeinde Christi und Gemeinde seiner Liebe zu sein? Die meisten kennen meine Einstellung in dieser Pandemiezeit. Ich bin dreimal geimpft und mindestens dreimal pro Woche getestet. Es ist Resümee meiner persönlichen Geschichte, meiner Gespräche mit Freunden und Beratern. Und es war und ist mein Ausdruck für meine Verantwortung in meiner Aufgabe, in der ich stehe. Besonders wichtig ist mir zu betonen, dass es ein Resultat MEINER Geschichte ist. Andere persönliche Geschichten führen auch dazu, dass es zu anderen Resultaten kommen wird. Weil wir unterschiedliche Menschen sind, weil wir diverse Sichtweisen und auch verschiedene Herangehensweisen an Herausforderungen haben. 

So wie ich mich als Pfarrer und damit Seelsorger aller Menschen meiner Gemeinden sehe, nicht nur der Braven, Frommen oder Getauften, so bin ich auch jetzt Pfarrer aller: der Geimpften und der Ungeimpften. Ich habe mich auch stets bemüht nie zu polarisieren und zu trennen, Gräben aufzureißen. Ich leide auch unter dem Leid der Kranken, denn auch in meinem Freundeskreis gibt es auch Schwerstbetroffene der Corona-Pandemie. 

Besondere Sorge jedoch bereitet mir die Zukunft. Wie werden die, die sich jetzt aus dem Weg gehen wieder zusammenfinden? Werden die, die sich jetzt mit soviel Aggression gegenseitig Argumente an den Kopf werfen, jemals wieder an einem Tisch sitzen? 

Es ist Zeit, dass wir uns als Christen bewusst sind, dass die Abschiedsworte Jesu ein Aufruf zur Einheit waren. Es ist Zeit, dass Sorge um den Nächsten und Nächstenliebe unser Handeln prägt. Mit Spaltung, Hass, bösen Worten, Besserwisserei können wir weder Zeugen der Liebe Gottes sein noch für den anderen überzeugend. 

Die Wandlung ist zentraler Punkt der Heiligen Messe. Können wir Menschen sein, die „wandelnd“ sind? Streit zu Versöhnung, Trennung zu Einheit, Tratsch zu ehrlicher Anteilnahme. Und jeder nehme erst einmal nur sich selbst in den Blick. So manche trauen sich vielleicht aus einzementierten Positionen auch nicht mehr heraus. Darum ein kleiner Ratschlag, der mich bewegt und in oft Festgefahrenes Bewegung bringen kann: „Was muss geschehen, dass ich Änderung zulasse?“ 

Der Advent steht vor der Tür. Kann es auch in dieser Zeit einen friedvollen Advent geben? Ich hoffe darauf und bete auch dafür. Tun wir das doch gemeinsam!

Als Zeichen dafür soll uns ab dem heutigen Gottesdienst etwas für den Advent Ungewöhnliches begleiten: Das Licht der Osterkerze! Ein Zeichen für das Leben, die Liebe Gottes und Hoffnung trotz aller Hoffnungslosigkeit. Wir werden unsere Osterkerzen in all unseren Kirchen an zentraler Stelle beim Altar aufstellen und entzünden mit der Bitte um Einheit, Hoffnung und Versöhnung und dem Vertrauen, dass Gott uns durch diese dunkle Epoche auch geeint durchführt.

Mit der Bitte um Gottes Segen

Pfarrer Helmut Scheer

(red)

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