2002 wechselte ich dann wieder nach Wien. Dieses Mal trug ich als Pfarrer von Mauer-St. Erhard im Süden von Wien die Verantwortung. Die letzten 14 Jahre waren eine sehr lehrreiche und interessante Zeit für mich. Zum einen gab es in unserem Dekanat eine hervorragende Gesprächsbasis zu unserer evangelischen Schwesterkirche. Viele gemeinsame Gottesdienste, Veranstaltungen und vor allem persönliche Begegnungen ließen uns in der Freundschaft zueinander wachsen. Außerdem hatte ich noch nie mit Menschen aus so vielen Nationen, Kulturen und Religionen zu tun. Ich hatte Kapläne aus Afrika, Asien und Europa (Polen und Slowakei). Seit Dezember 2015 beherbergen wir zwei Flüchtlingsfamilien aus Afghanistan in unserem Pfarrzentrum. Von ca. 25 Ehrenamtlichen werden diese regelmäßig betreut. Es ist ein ausgesprochen gutes Miteinander gewachsen. Als Pfarrer hatte ich erstmals auch mit vielen hauptamtlichen Angestellten zu tun. Es gab einen Kaplan, einen Diakon und eine Pastoralassistentin, einen Mesner, einige Zeit lang auch einen Praktikanten und eine Pfarrsekretärin. All diese Erfahrungen erweiterten meinen Horizont und ließen mich zu einem, wie ich meine, weltoffenen, angstfreien und interessierten Menschen reifen. Ich blicke durchaus positiv auf die 14 Jahre in Mauer zurück, wenngleich das Miteinander von unterschiedlichen Kulturen und Mentalitäten zugegebenermaßen auch nicht immer einfach war.
Da ich immer schon den Standpunkt vertreten habe, nach ca. 10 bis 15 Jahren den Posten zu wechseln, wuchs in mir in den letzten Jahren die Gewissheit, mich wieder einmal einer Veränderung zu unterziehen. Hauptantrieb war dabei mein Wunsch, in der Krankenhausseelsorge tätig zu sein. In Mauer hatte ich zunehmend mit alten und kranken Menschen, aber auch mit Todesfällen zu tun, bei denen die Hinterbliebenen Rat und Beistand suchten. Ich glaube, dass hier möglicherweise noch ungenutzte Ressourcen schlummern, die ich zum Wohl und zur Hilfe der Betroffenen einsetzen kann. Ganz ohne Pfarrseelsorge will ich aber nicht leben. Eine vertraute Gemeinde und regelmäßige Gottesdienste dort sind mir einfach wichtig. So kam es, dass ich nun zu 50 % Krankenhausseelsorger in Mistelbach und zu 50 % Pfarrvikar für Ladendorf, Herrnleis, Ober- und Niederkreuzstetten bin. Ich muss zugeben, dass mich die organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufgaben in den letzten Jahren sehr in Anspruch genommen haben, und meine Kräfte nicht mehr die eines 40-Jährigen sind. Da ich im Herbst meinen 57. Geburtstag feiere, beginnt nun die letzte Etappe meiner aktiven Zeit als Priester. Diese will ich vermehrt von der seelsorglichen und spirituellen Seite her angehen. Oft war dafür in den letzten Jahren immer weniger Platz vorhanden. Es rächt sich, wenn Gebet, Zuwendung und Mitmenschlichkeit nicht mehr im Leben eines Seelsorgers jenen Platz einnehmen, den sie eigentlich einnehmen müssten. Durch diese Neuausrichtung meines Lebens hoffe ich, dass das Wesentliche, wieder deutlicher für mich in den Blick kommt. Ich weiß mich dabei von Gott getragen und will getreu dem Motto Meister Eckharts (1260-1328) meinen neuen Dienst antreten: „Es ist Zeit etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen.“
Pfarrer Georg Henschling,
Mauer-St. Erhard (1230 Wien)
(red)