In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum erstenmal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.
So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.
Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen:
Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dam ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.
Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.
In dieser Geschichte geht es um drei legendäre Zedern, die in den einst wunderschönen Wäldern des Libanon heranwuchsen. Zedern wachsen bekanntlich nur sehr langsam, überdauern dafür aber Jahrhunderte – Zeit genug, um über Leben und Tod, Mensch und Natur nachzudenken.
Unsere drei Zedern erlebten die Heimkehr von König Salomons Kundschaftern und später die Schlachten mit Assyrern, die das Land mit Blut tränkten. Sie lernten die Königin Isebel und den Propheten Elias kennen, die einander todfeind waren. Und sie standen auch da, als das Alphabet erfunden wurde, und freuten sich über die Karawanen, die mit bunten Stoffen beladen an ihnen vorbeizogen.
Eines Tages unterhielten sie sich über die Zukunft. „Nach allem, was ich gesehen habe“, sagte der erste Baum, „möchte ich zum Thron des mächtigsten Herrschers der Erde werden.“
„Ich wäre gern Teil von etwas, das das Böse für immer in Gutes verwandelt“, meinte die zweite. Und die dritte Zeder fügte hinzu: „Wenn ich wählen könnte, würde ich mir wünschen, dass die Menschen, wenn sie mich ansehen, an Gott denken.“
Wieder vergingen die Jahre, bis eines Tages Holzfäller kamen. Die Zedern wurden geschlagen und mit einem Schiff weit weg gebracht. Jeder der drei Bäume hatte seinen Wunsch getan, doch die Wirklichkeit fragt nicht nach Träumen. Aus dem ersten Baum wurde ein Unterstand für Tiere gezimmert, aus dem, was übrig blieb, eine Krippe für das Heu. Aus dem zweiten Baum wurde ein einfacher Tisch, den später ein Möbelhändler kaufte. Da sich für das dritte Holz kein Käufer fand, wurde er zersägt und in ein Lager in einer großen Stadt gebracht. Unglücklich klagten sie: „Unser Holz war gut, niemand hat etwas Schönes daraus gemacht.“
Die Zeit verging, und in einer sternklaren Nacht verbrachte ein Ehepaar, das keine Herberge fand, in einem Stall, der aus dem Holz der ersten Zeder gebaut worden war. Die Frau gebar unter Schmerzen ein Kind und legte es in das Heu in einer hölzernen Krippe. Da begriff der erste Baum, dass sein Traum in Erfüllung gegangen war: Dort lag der König aller Könige.
Jahre darauf setzten sich mehrere Männer an den Tisch, der aus dem Holz des zweiten Baumes gemacht worden war. Bevor sie zu essen begannen, sprach einer von ihnen einige Worte über Brot und den Wein, die vor ihm standen.
Und da begriff der zweite Baum, dass er nicht nur als Unterlage für ein Glas Wein und ein Stück Brot diente, sondern für den Bund zwischen Gott und dem Menschen.
Am nächsten Tag wurden zwei Stücke der dritten Zeder aus dem Lager geholt. Es wurde ein Kreuz aus ihnen gezimmert, das achtlos in eine Ecke geworfen wurde. Wenige Stunden darauf brachten sie einen schwer verletzten Mann und schlugen ihn an das Holzkreuz. Die Zeder klagte über das grausame Los, das ihr das Leben vorbehalten hatte.
Doch ehe noch drei Tage vergangen waren, begriff die Zeder ihr Schicksal: Der Mann, der an ihr Holz angeschlagen war, war jetzt das Licht, das alles erleuchtete. Das aus ihrem Holz gezimmerte Kreuz war nun nicht mehr das Symbol der Qual, sondern war ein Zeichen des Sieges geworden. Wie es immer mit Träumen geschieht, hatten sie sich auch für die drei Zedern aus dem Libanon erfüllt – nur nicht so, wie diese es sich vorgestellt hatten.
Text: Paulo Coelho
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(red)